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Rezension - Morgen, morgen und wieder morgen

Titel: Morgen, morgen und wieder morgen (Org. Tomorrow and tomorrow and tomorrow)

Autorin: Gabrielle Zevin

Genre: Literarische Unterhaltung 

Verlag: Eichborn 

Seitenanzahl: 560 Seiten

Preis: 25€

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Ich bedanke mich vielmals bei dem Verlag für das Rezensionsexemplar, die Bereitstellung dieses beeinflusst meine Meinung nicht

Cover:

Mal wieder solch ein Cover, bei dem ich sehr glücklich bin, dass es aus dem Englischen übernommen wurde. Besonders der Buchrücken ist durch sein Farbenspiel wunderschön anzusehen. 

Ein Bezug zum Inhalt kann während des Lesens ebenfalls gefunden werden, was ich stets sehr gerne mag. 

Alles in allem ein sehr gelungenes Cover, dass nicht nur in der Buchhandlung zum Verweilen einlädt, sondern auch einen wahren eyecatcher im heimischen Regal abgibt. 

 

Inhalt:

Mitte der 90er-Jahre in Massachusetts: An einer U-Bahn-Station trifft Sadie, hochbegabte Informatikstudentin und angehende Designerin von Computerspielen, ihren früheren Super-Mario-Partner Sam wieder. Die beiden beginnen, gemeinsam an einem Spiel zu arbeiten, und schnell zeigt sich, dass sie nicht nur auf freundschaftlicher, sondern auch auf kreativer Ebene ein gutes Team sind. Doch als ihr erstes gemeinsames Computerspiel zum Hit wird, brechen sich Rivalitäten Bahn, die ihre Verbundenheit zu bedrohen scheinen.

 

Meine Meinung:

Zunächst einmal muss ich an dieser Stelle zugeben, dass ich völlig blind und somit ohne jegliche Erwartungen an das Buch herangegangen bin. Durch den großen Trubel auf dem englischen Buchmarkt entdeckt, wurde ich schnell neugierig und so durfte "Morgen, morgen und wieder morgen"  bei mir einziehen, ohne dass ich auch nur den Klappentext zuvor gelesen habe- eine Seltenheit, da ich doch meist sehr penibel bin, was die Buchauswahl angeht. Schließlich kennt man ja die allgemeine Problematik: Zu viele Bücher und viel zu wenig Zeit. Umso glücklicher bin ich nach Beenden aber, dass ich dem "Blinddate" mit diesem Roman eine Chance gegeben und er mich letztlich voll und ganz begeistern konnte. 

Bereits der Einstieg in die Lektüre hat schnell verlauten lassen, dass der Roman durch seine Technikthematik nicht nur ein wenig nerdy angehaucht ist, sondern geradezu davon sprüht, ja, von seinem Nerd-sein lebt. Hierbei wird die Leidenschaft der beiden Protagonisten Sam und Sadie für den Leser greifbar und konnte gerade mich, als selbsternannten kleinen Nerd auf ganzer Linie abholen. 

Damit auch schon zu den Protagonisten selbst. Mit großer Nähe folgt der Leser ihnen durch ihr Leben, Erwachsenwerden und hat an Entwicklung der Freundschaft und kreativer Partnerschaft teil. Die Beziehung zwischen Sadie und Sam ist interessant zu beobachten, da sie auf freundschaftlicher und kreativer Ebene sehr gut harmonieren, aber auch zunehmend mit Rivalitäten zu kämpfen haben. Die Hoch und Tiefs ihrer Beziehung zueinander lassen die Protagonisten des Romans sehr lebensnah erscheinen.  

Abwechselnd wird dabei aus den Sichten der beiden erzählt, nicht nur ein reines Mittel um einen tieferen Einblick in deren Köpfe zu erlangen und Sympathien zu entwickeln, sondern auch ein raffinierter Schachzug, der es erlaubt, das Geschehen aus zwei sich teils überlappenden, sich jedoch teils stark voneinander unterscheidenden Blickwinkeln zu betrachten, was zu einem interessanten und vielfältigen Leseerlebnis beiträgt. Oftmals ergibt sich so ein ganz neues Bild, sobald ein vergangenes Geschehnis noch einmal aus Sicht der jeweils anderen Figur betrachtet wird und nur gemeinsam ergibt sich letztlich die gesamte Wahrheit. Auch die Rückblenden und Einblicke in die jüngeren Lebensjahre der Protagonisten empfand ich unterdessen als sehr passend eingestreut, da sie ihnen mehr Emotionen und Tiefe zu verleihen. Dies geschieht in meinen Augen besonders in den Kindheitstagen von Sam,  der bereits vor der eigentlich Romanhandlung einiges durchleben musste. 

Doch auch die Nebencharaktere sind sehr gut ausgearbeitet und können mit Sympathien, sowie Antipathien punkten. Sie bleiben zu keiner Zeit blass, sondern bekommen ebenfalls genügend Raum im Roman eingeräumt, um dem Leser nahe zu erscheinen, was die Spannungen der Charaktere untereinander umso interessanter macht. Grundlegend lebt "Morgen und morgen, und wieder morgen" von seinen Figuren, denen man durch ihr Leben folgt und weniger von besonderen Handlungsspitzen.  

Dadurch braucht der Roman ein wenig um an Fahrt aufzunehmen. So schleppte ich mich im ersten Drittel noch ein wenig voran, doch sobald sich Spannung und wahres Interesse an dem Leben der Einzelnen aufzubauen beginnt, lassen diese bis zuletzt nicht mehr nach und nehmen auf einen emotionale Achterbahnfahrt mit. 

Dabei empfinde ich die Art und Weise, wie Gabrielle Zevin die Welt der Computerspiele beschreibt und dem Leser ein Gefühl dafür gibt, wie es ist, als Designer an einem solchen Spiel zu arbeiten, sehr beeindruckend. Selbst mir als Laie auf dem Gebiet konnte sie die Thematik so sehr nahe bringen.

Die Beschreibungen des Computerspiels, das Sadie und Sam entwerfen, sind dabei besonders gut gelungen. Als Leser fällt es leicht sich in die Welt des Spiels hineinversetzen und die Entstehungsgeschichte eben dieses mitzuverfolgen. Sehr bildlich werden die Spiele zum Leben erweckt und lassen den Leser gänzlich in sie eintauchen, was ein wenig zum Tagträumen einlädt und selbst Lust aufs Spielen eben dieser macht. 

Was mich zuletzt jedoch am meisten überzeugen und mitnehmen konnte, ist Zevins Spiel mit ihrem eigenen Schreibstil und all dessen Facetten. So wird der Roman selbst zu einem Videospiel, zu zwei Seiten einer Kassette, zu einem mehrschichtigen Bericht- ein Leseerlebnis der ganz besonderen Art, das so sicherlich einzigartig ist und auch bleiben wird. Ein Kapitel, auf das ich aufgrund von Spoilern nicht genauer eingehen möchte, hat mich dabei ganz besonders vom Hocker gerissen und mich mit mehr als nur einem verlorenen Tränchen zurückgelassen. 

So hinterlässt "Morgen, morgen und wieder morgen" letztlich besonders eine Wirkung -  ein Roman über das Leben selbst zu sein, mitsamt all seiner Höhen und Tiefen. Zevin führt durch ein Spiel aus Gemeinsamkeiten und Differenzen, den verschlungenen Wegen des Lebens, die mal auseinander und wieder zusammenführen, durch kreative Unterschiede und unterschiedliche Lebensvorstellungen, durch Tragik und Freude, durch Hoffnung, Zweifel und Trauer. Und genau darin, in all den ungeschönten Facetten des Lebens, entfaltet der Roman seine Authentizität und seine wahre Stärke, die darin liegt, nicht nur zu unterhalten, sondern auch nachdenklich zu machen und einem jeden Leser ein ganz persönliches Stück seiner selbst zu schenken. 

 

Fazit:

Der Debutroman Zevins ist ein stilistisches Meisterwerk, das viel mehr zu entfalten vermag, als der Klappentext zunächst vermuten lässt. Natürlich muss einem die recht umfangreiche Technik-Thematik auch ein wenig gefallen, doch selbst wenn Videospiele nicht die eigene große Passion sind, so wird ein jeder Leser seinen Mehrwert in dem Buch finden können. Ein einfühlsamer und faszinierender Roman über Freundschaft, Kreativität und das Leben selbst.

Ich vergebe 4/5 Sterne und spreche eine große Leseempfehlung aus. 

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